Das für Haltern, Dorsten und Umgebung zuständige OLG Hamm (Berufungsgericht) hat sein erstes Urteil im „Dieselskandal“ gegen die VW AG gesprochen. Mit dem Urteil vom 10.09.2019 (Az. 13 U 149/18) hat das OLG Hamm ausgesprochen, dass VW durch den Einsatz der „Schummelsoftware“ eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung begangen hat und daher zum Schadenersatz verpflichtet ist, denn: „Hätte der Käufer vom Einsatz der Schummelsoftware gewusst, hätte er das Fahrzeug gar nicht erst erworben.“ Im Rahmen des Schadenersatzes kann der getäuschte Käufer sein Fahrzeug „zurückgeben“ und erhält von VW den Kaufpreis zurück, wobei vom Kaufpreis noch der Wert der vom Käufer mit dem Fahrzeug zurückgelegten Kilometer abgezogen wird.
Diese Auffassung wurde zuvor bereits vom OLG Köln und vom OLG Koblenz, sowie der wohl überwiegenden Anzahl der befassten Landgerichte (z.B. Bochum, Essen, Münster) vertreten.
Spannend an der Entscheidung aus ist Folgendes:
Die Käuferin bzw. Klägerin hatte Ihren VW Beatle erst im Jahr 2016
gekauft. Zu diesem Zeitpunkt war der „Abgasskandal“ bereits seit
Längerem durch die Berichterstattung in den Medien bekannt. VW war daher
in diesem Fall der Meinung, dass die Käuferin bzw. Klägerin gewusst
habe ein vom Dieselskandal betroffenes Fahrzeug zu erwerben und deshalb
keinen Schadenersatz verlangen könne.
Dies sahen die Hammer Richter
anders. Die allgemeine Berichterstattung genüge nicht, um
Schadenersatzansprüche auszuschließen. Vielmehr müsse ein Käufer im
Zeitpunkt des Kaufs positiv wissen, dass bei dem konkreten Fahrzeug die
Schummelsoftware eingesetzt wurde. Eine solche Kenntnis setzte voraus,
dass der Verkäufer spätestens bei Vertragsschluss einen entsprechenden
„ausdrücklichen Hinweis“ erteilt hat.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Das OLG Hamm hat die Revision zugelassen. Ob sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit dem Abgasskandal beschäftigen wird, bleibt abzuwarten. Wir rechnen jedoch damit, dass VW von dem Rechtsmittel der Revision Gebrauch machen wird. Das Urteil des OLG Hamm ist noch nicht veröffentlich. Bislang stammen alle Informationen aus der Pressemitteilung vom 10.09.2019, die das OLG auf seiner Homepage veröffentlicht hat.
Bis zu einer Entscheidung des BGH ergibt sich aus der Hammer Entscheidung Folgendes:
– Auch für betroffene Fahrzeuge, die erst im Jahr 2015 oder später
gekauft wurden, kann VW auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden.
– Besonders spannend ist die Entscheidung hinsichtlich der Frage der
Verjährung. Es war häufig zu lesen, dass mit Ablauf des Jahres 2019
Verjährung eingetreten sei. Diese Meinung ist mit der Hammer
Entscheidung wohl überholt. Bei der vorsätzlich sittenwidrigen
Schädigung gilt die Regelverjährung (3 Jahre zum Jahresende). Diese 3
Jahre dürften nach der Entscheidung des OLG Hamm erst in dem Moment zu
laufen beginnen, in den der Käufer positive Kenntnis davon erlangt, dass
sein Fahrzeug betroffen ist. Der wohl früheste Moment hierfür ist der
Erhalt des Schreibens des Kraftfahrbundesamtes oder des Herstellers (VW,
Audi, Porsche, Skoda, Seat), mit welchem der Halter aufgefordert wird,
auf sein Fahrzeug das Softwareupdate aufspielen zu lassen (Beispiele:
Aufforderungsschreiben aus 2016 -> Verjährung erst Ende 2019;
Aufforderung 2017 -> Verjährung erst Ende 2020, usw.).
Es bestehen also nach wie vor Chancen für geprellte VW-Käufer, VW erfolgreich auf Schadenersatz in Anspruch zu nehmen.
Natürlich weißt jeder Fall seine Eigenarten und Besonderheiten auf, so dass sich konkrete Erfolgsaussichten nur nach Kenntnis des Einzelfalls bewerten lassen. Sollten Sie fragen haben oder angreifen wollen, so beraten wir Sie gern.
Abschließend noch folgender Hinweis: Die weibliche Form ist der männlichen Form in der obigen Dartellung selbstverständlich gleichgestellt; lediglich aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wurde in Teilen der Darstellung die männliche Form gewählt.